Dr. Marc Surminski, Zeitschrift für Versicherungswesen, vom 15. Februar 2019

Insurtechs stehen in einem besonderen Spannungsverhältnis: Die Gründer versuchen, die Investoren mit hohen Wachstumszielen zu begeistern. Gleichzeitig sind die Anforderungen der Aufsicht an die Eigenkapitalausstattung umso höher, je größer die Wachstumserwartungen sind. "Wachstum kostet", so Andreas Meyerthole vom aktuariellen Beratungshaus MSK in einer Presseveranstaltung seines Unternehmens. Es sei viel technisches Know-how nötig, um die Startups in diesem Spannungsverhältnis richtig zu positionieren und etwa die passenden Rückversicherungslösungen zu nutzen.

Nach Meyertholes Beobachtung berücksichtigen heute immer mehr Insurtechs diese Problematik und stellen sich entsprechend auf – natürlich auch mit dem Rückgriff auf externe Berater. Wie schwierig es sein kann, Investoreninteressen und sauberes Underwriting zu vereinbaren, zeigt aber das Beispiel des US-Insurtechs Lemonade. Bei Schadenquoten von bis zu 140% spielte die Technik hier offenbar zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Zwischenzeitlich steuerte man um und erhöhte die Prämien im Neugeschäft – und das Wachstum ging kräftig zurück. "Eine verlorene Zeit" nennt das Unternehmen diese "Sanierungsphase" inzwischen. Das verheißt nichts Gutes für die künftigen Ergebnisse von Lemonade. Das zentrale Erfolgsrezept der Digitalwirtschaft lautet: Wachstum um jeden Preis, um ausreichend Kunden zu gewinnen, auch wenn man jahreslang keine Gewinne macht. Dieses Rezept stößt in der Assekuranz auf ein elementares Problem: Wachstum um jeden Preis bedeutet im Versicherungsgeschäft eben nicht nur hohe Kosten, sondern auch hohe, womöglich über viele Jahr zu regulierende Schäden. Die Aufsicht verlangt die entsprechende Kapitalunterlegung für die Risiken. Sind die Anforderungen zu locker, droht hier statt der Schaffung eines neues Amazons für die Versicherungswirtschaft schnell ein Fiasko.